Wie Tiere und Menschen die kalte Jahreszeit überstehen
Sie futtern sich im Voraus eine Speckschicht an, verbuddeln kiloweise Nüsse oder versetzen ihren Körper in den Energiesparmodus: Die Wildtiere im Hochschwarzwald haben ganz unterschiedliche Strategien, um mit dem knappen Nahrungsangebot im Winter zurechtzukommen. Wir Menschen hingegen haben schon lange durch zahlreiche Möglichkeiten zur Konservierung reichlich Auswahl an Lebensmitteln – das ganze Jahr über.
Igel und Fledermäuse sind die bekanntesten Winterschläfer, für alle anderen Tiere gilt, dass sie in den Wintermonaten zumindest auf einen Energiesparmodus umstellen. Ein gutes Beispiel dafür sind Rotwild, Rehwild und Gamswild, die ihre Körperwärme in den Mittelpunkt verlagern und ihre Herzfrequenz verlangsamen. Wenn sie durch Skifahrer oder Wanderer aufgeschreckt werden, verdreifacht sich ihr Energiebedarf. „Wenn das zu oft passiert, kann es sein, dass sie das nicht überleben“, erklärt Feldberg-Förster Achim Schlosser. Nicht nur im Winter gilt deshalb, dass im Wald die Wege und Loipen nicht verlassen werden sollten. „Auch außerhalb der Naturschutzgebiete freuen sich die Tiere darüber“, sagt Schlosser.
Vor allem in den Hochlagen, wie auf dem Feldberg, ist das Nahrungsangebot im Winter knapp und die Suche für die Tiere mühsam. Rehe zieht es deshalb eher auf die Südseite, wo der Schnee schneller wegtaut und sie versuchen, Brombeersträucher zu finden, die auch im Winter Blätter haben. Eine besondere Stellung hat das Rotwild, das von den Förstern gefüttert wird, um es in bestimmten Gebieten zu halten, weil es sonst zu große Schäden anrichten würde.
Auerwild ist vom Aussterben bedroht
Der Auerhahn und die Auerhenne sind im Schwarzwald vom Aussterben bedroht und dazu sehr störungsempfindlich. Auf 70 bis 80 Tiere schätzt Achim Schlosser die Population am Feldberg, „Tendenz abnehmend“. Die Küken des Auerwilds brauchen Insekten und müssen bis zum Winter groß genug sein, um ihn zu überleben. Die ausgewachsenen Tiere, die sich im Sommer von Heidelbeersträuchern ernähren, stellen im Winter auf das um, was der Wald noch hergibt, vor allem Knospen und Nadeln. Da diese nicht so nahrhaft sind, versuchen auch sie Kraft zu sparen und legen ihre Wege vor allem zu Fuß zurück. Ihr Geläuf ist deshalb im Winter häufiger zu finden.
Im Winter streiten sich Wildtiere um das geringe Nahrungsangebot und werden teilweise selbst zur Beute
Die Eichhörnchen hingegen legen sich Vorräte an, gehen dabei aber manchmal nicht besonders schlau vor, wie der Förster weiß: „Sie sind ein bisschen vergesslich und finden nicht mehr alle Verstecke wieder.“ Bucheckern, Nüsse, Eicheln, Fichten- und Kiefernnadeln horten sie im Herbst in Baumhöhlen, Wurzelanläufen und in ihrem Kobel. Und es kann passieren, dass sie sich dabei von pfiffigeren Tieren ausspähen und bestehlen lassen. Rabenvögel wie Elstern und Eichelhäher beobachten die Eichhörnchen und graben deren Vorräte aus, sobald sie sich aus dem Staub gemacht haben. Auch die Eichhörnchen schlafen im Winter häufig und können so selbst zur leichten Beute für andere Wildtiere wie Füchse oder Baummarder werden. In besonders langen, kalten und schneereichen Wintern verhungern außerdem deutlich mehr Tiere als in milden Wintern – was eine Art natürlicher Auslese ist, die beispielsweise bei Wildschweinen gar nicht ungern gesehen wird.
Traditionelle Konservierungsmethoden werden wieder modern
Im Gegensatz zu Tieren haben Menschen deutlich mehr Möglichkeiten, auch ohne Speckschicht und ausgiebigen Schlaf über den Winter zu kommen – dank der unterschiedlichsten Konservierungsmethoden. Dass eine gesunde und regionale Küche ganzjährig möglich ist, beweisen die Naturparkwirte im Südschwarzwald, die das ganze Jahr über mindestens sechs regionale Gerichte und ein regionales Menü anbieten, was im Winter manchmal nicht ganz so einfach ist. „Fleisch gibt es immer und auch Kartoffeln und Getreide für Spätzle, aber bei Gemüse und Salat hört es schnell auf“, sagt Klaus-Günther Wiesler vom Seehotel Wiesler in Titisee, der zu den Gründungsmitgliedern der Naturparkwirte gehört. Da es manche Produkte wie Kräuter und Beeren nur kurze Zeit und auch nicht in ausreichenden Mengen gibt, haben sich die Naturparkwirte darauf geeinigt, dass Zutaten und Beilagen wie Mehl, Eier, Kartoffeln und Gemüse für die regionalen Gerichte auch aus ganz Baden-Württemberg stammen dürfen.
Dank der Tiefkühltruhen, die vor den 1970er Jahren noch ein Luxusartikel waren und sich zunächst in landwirtschaftlichen Haushalten durchsetzten, gibt es außerdem die Möglichkeit, Lebensmittel lange aufzubewahren. Durch diesen Fortschritt der Technik sind aber mehr und mehr traditionelle Konservierungsmethoden teilweise verschwunden, wie das Salzen, Räuchern, Dörren und auch das Einweckglas – übrigens eine Schwarzwälder Erfindung. „Das ist auch immer eine Frage der Zeit, die man braucht“, erklärt Wiesler.
Dennoch gibt es auch heute immer wieder Trends, auf frühere Methoden zurückzugreifen: Junge Köche haben das Einmachen für sich wiederentdeckt, in dem sie Gemüse in Salz, Essig und mit ungewöhnlichen Gewürzen einlegen. Brot wird teilweise wieder selbst gebacken und dass Fleisch getrocknet wird, zu sogenanntem Dry Aged Beef, passt auch zu dieser Entwicklung.
Beitrag zum Erhalt von Grünflächen
Die Naturparkwirte gehen teilweise selbst auf die Jagd. Für alle Fleischgerichte auf der Karte würde das aber nicht ausreichen, „das wäre eine etwas romantische Vorstellung“, sagt Wiesler. Auch das Räuchern von Schinken- und Speckschwarten machen mittlerweile nur noch einzelne Bauern selbst, ansonsten übernehmen das die großen Betriebe. Viele Naturparkwirte beziehen ihr Rind- und Schweinefleisch sowie Schinken über die Vermarktungsgesellschaft „echt Schwarzwald“ in der Ortenau, die für die Nutztiere Weidehaltung vorschreibt und damit auch zum Erhalt der bedrohten Grünflächen beitragen will. Die Naturparkwirte wollen mit ihrer Initiative ebenfalls die heimische Landwirtschaft fördern und haben deshalb den Slogan „Höchste Qualität und Landschaftspflege mit Messer und Gabel“ kreiert.
„Die Gäste können sich bei uns darauf verlassen, dass unsere Produkte tatsächlich aus dem Schwarzwald und Baden-Württemberg kommen, das wird regelmäßig überprüft“, versichert Wiesler. Dass diese Qualität manchmal auch einen höheren Preis hat, wird von vielen gerne in Kauf genommen. „Regional ist in – mehr denn je“, weiß der Seehotel-Chef, der zusammen mit Lothar Burghardt auch ein „Kochbuch der Naturparkwirte“ herausgegeben hat, in dem traditionelle Rezepte mit moderner Küche verbunden werden.