Generationenvertrag

Im wilden Urwald von morgen

Den Bannwald mit dem Feldbergförster erleben
15.03.2017

von Birgit-Cathrin Duval

Bannwälder sind spannende Orte. Denn hier darf der Wald alles, – vor allem aber das –  wilder Wald sein. Umgestürzte Bäume, skelettartige Baumgerippe, mit Farnen und Flechten überwuchertes Totholz, bizarre Wurzelgeflechte und undurchdringliches Buschwerk. Bannwälder sind die Archetypen des Schwarzwalds. Wild, mächtig und magisch zugleich. In ihnen wachsen die Urwälder von morgen heran. Auf einer Bannwald-Tour kann man den Puls des Urwalds erfühlen.

„Vergangene Woche konnte ich Auerhühner beobachten“, erzählt Achim Schlosser. „Eine Henne mit vier Jungtieren.“ Erlebnisse wie diese zählen zu den Höhepunkten in seinem Job als Feldbergförster. Mit seiner kurzen Outdoor-Hose, den Trekking-Schuhen und Funktionshemd sieht Schlosser aus, als würde er zu einer Wanderung aufbrechen. Nur das amtlich wirkende Grün und der kleine Aufdruck „Forst BW“ auf dem Hemd geben einen Hinweis darauf, dass sich Achim Schlosser im Dienst befindet. Sein Büro: Der Wald im Naturschutzgebiet auf dem Feldberg. In Baden-Württemberg gibt es insgesamt 128 Bannwälder, 27 davon befinden sich im Regierungsbezirk Freiburg, acht davon im Kreis Breisgau-Hochschwarzwald.

Sein Büro: Der Wald im Naturschutzgebiet auf dem Feldberg.
Sein Büro: Der Wald im Naturschutzgebiet auf dem Feldberg. © Birgit-Cathrin Duval

Wald ist Heimat

Hier, in den Bannwäldern am Feldberg fühlt sich Achim Schlosser besonders verwurzelt mit seiner Heimat, dem Schwarzwald. Seine liebste Jahreszeit ist der Herbst, wenn es nicht mehr so heiß ist und die Wetterlage stabil bleibt.
Heimat ist für ihn:

“Schöne Landschaften, viel Wald und ruhige Ecken“.
(Achim Schlosser)

Am liebsten zieht es ihn ins Seebachtal oder an den Feldsee. Oder zu seiner Tanne. Die ist zwar mit einem halben Meter Länge ein Winzling, aber immerhin hat sie sich auf 1.400 Metern den höchsten Standort aller Tannen im Land erobert. Die kleine Weißtanne ist somit Baden- Württembergs höchst gelegene Tanne, „das ist schon eine geographische Besonderheit“, freut sich Achim Schlosser. Gerne sucht er seine Flecken am frühen Morgen auf, wenn die Farben und Gerüche des Waldes am intensivsten sind. Erlebnisse wie diese, bei denen man den Wald mit allen Sinnen wahrnehmen kann, möchte er seinen Gruppen vermitteln, die er während einer mehrstündigen Wanderung durch den Bannwald führt.

Der Feldberg – ein natürlicher Waldberg

Eigentlich müsste der Feldberg Waldberg heißen, denn ohne die Bewirtschaftung wäre das gesamte Feldberggebiet, einschließlich der Gipfelregion, dicht bewaldet. Davon ausgenommen sind Flächen mit Felsen, Mooren und Steilhänge, an denen im Winter Lawinen ins Tal donnern. Die großflächigen waldfreien Zonen, die heute das typische Bild des Feldbergs prägen, entstanden erst durch die Weidewirtschaft und die massenhafte Rodung der Baumbestände im 18. Jahrhundert, als Holz für den Bergbau und in den Glashütten genutzt wurde. Heute ist das Naturschutzgebiet auf dem Feldberg wieder zu über 80% Fläche bewaldet.

Auf toten Bäumen tobt das Leben

Beim Blick auf die mächtigen Tannen und Fichten im Feldberggebiet sind immer wieder Flecken mit auffällig vielen bleichen Baumgerippen zu sehen. Mit ein wenig Phantasie erinnern sie an Skelette von Dinosauriern. „Viele Besucher denken gleich ans Waldsterben.“ Doch Schlosser kann die Bedenken seiner Mitwanderer entschärfen: Denn das Gegenteil ist der Fall.

“Die Natur wird reichhaltiger. Sterben Bäume ab, gelangt mehr Licht in den Wald, und damit kommen mehr Insekten und Kleintiere.“
(Achim Schlosser)

Schlosser zeigt auf einen toten Baum, in dem sich eine Höhle befindet. „Spechte freuen sich über Käferlarven.“ Das ist gut für den Dreizehenspecht. Denn der galt am Feldberg bereits als ausgestorben. Man findet ihn überwiegend in totholzreichen Nadelwäldern und trifft ihn wieder regelmäßig an. „Erst diese Woche habe ich wieder einen gesehen“, bestätigt Schlosser.

„Viele Besucher denken gleich ans Waldsterben.“
„Viele Besucher denken gleich ans Waldsterben.“ © Birgit-Cathrin Duval

So sorgt die Mischung zwischen toten und lebenden Bäumen für eine gesunde Artenvielfalt im Wald. Auch stirbt ein Baum nicht einfach so. Vielmehr ist es ein Prozess, der sich oft über Jahrzehnte hinzieht. Häufig führen Verletzungen an der Baumrinde zu einem Pilzbefall. In der Folge wird der Baum geschwächt und kann dem Borkenkäfer wenig entgegensetzen. Während der Lebenszyklus des Baumes zu Ende geht, keucht und fleucht es in dem absterbenden Gehölz. Sperlingskauz, Rauhfußkauz oder Schwarzspecht dienen die bleichen Stämme als Hotel, viele Fledermausarten und Baummarder ziehen zum Überwintern in die Höhlen ein. Schließlich ist ein lichter Wald gut für das Auerwild. Auerhuhn-Küken benötigen viele Insekten, und die gibt es nur dort, wo es viel Licht und Wärme hat.

Entsorgung ohne Müllabfuhr

Und selbst dann, wenn der Baum umgefallen und augenscheinlich tot am Boden liegt, steckt noch Leben im Stamm. Oft kann man sehen, wie auf den Totholz-Stämmen kleine Bäumchen wachsen. Das hat einen guten Grund: Denn die abgestorbene Eltern-Generation entpuppt sich als regelrechte Vorratskammer: Im bereits zersetzten Holz haben sich wertvolle Nährstoffe gebildet, von dem die jungen Bäumchen nun zehren können. Und wenn die Nadelholzstämme nach vielen Jahren endgültig verrottet sind, entsteht daraus neuer Humus, auf dem wiederum Bäume, Büsche und Pilze wachsen. So funktioniert der Wald als perfekt ausgeklügeltes und aufeinander abgestimmtes und selbsterhaltendes Ökosystem, die keine Müllabfuhr benötigt, weil sie sich selbst recycelt.

So funktioniert der Wald als perfekt ausgeklügeltes und aufeinander abgestimmtes und selbsterhaltendes Ökosystem.
So funktioniert der Wald als perfekt ausgeklügeltes und aufeinander abgestimmtes und selbsterhaltendes Ökosystem. © Birgit-Cathrin Duval

Am Feldsee angekommen erklärt der Förster nicht nur die Entstehung des Karsees während der Eiszeit, sondern weist auf eine Besonderheit hin: Im bis zu 35 Meter tiefen Feldsee wächst ein seltener Unterwasserfarn, das „Stachelsporige Brachsenkraut“, das in Mitteleuropa nur noch im Feldsee und im Titisee vorkommt. Die Pflanze benötigt extrem kühles und klares Wasser und ist sehr empfindlich. Um das bedrohte Kraut zu schützen, ist das Baden im Feldsee seit 2001 verboten.

Gut zu wissen

In Baden-Württemberg gibt es insgesamt 128 Bannwälder, 27 davon befinden sich im Regierungsbezirk Freiburg. Hier im Hochschwarzwald können Sie die Besonderheiten dieser Wälder neben den drei Bannwäldern am Feldberg auch in den Bannwäldern Zweribach bei St. Peter und Schwarzahalden im Rothauser Land sehen. In unserem Veranstaltungskalender finden Sie die geführten Wanderungen in diesen Wäldern.

Auch auf eigene Faust sind die besonderen Waldstücke gut zu entdecken. Für seine Qualität ausgezeichnet ist dabei der Genießerpfad Rappenfelsensteig. Er startet in Brenden oder Staufen im Rothauser Land führt auf 11 km durch den Bannwald Schwarzahalden