Aus Liebe zum Pferd
Sie sind robust, arbeitswillig und genügsam – Schwarzwälder Kaltblut-Pferde dienten über Jahrhunderte Land- und Forstwirten als treue Zugtiere. Dann kam der Traktor und viele Boxen verwaisten. Nicht so auf dem Bartleshof bei Titisee: Familie Feser hält an der regionaltypischen Rasse fest und hat sich auf deren Zucht spezialisiert.
Amira ist anhänglich. Schnaubend stupst sie Landwirt Manfred Feser von hinten an. Legt ihre warme Schnauze auf seinen Arm. „Jaaa, ist ja gut“, sagt dieser mit beruhigender Stimme und tätschelt den braunen Hals. Nach und nach traben weitere Pferde an, lassen sich von Feser und seiner 28-jährigen Tochter Lisa Meier, einer gelernten Pferdewirtin, durch die helle Mähne streicheln. Sie mümmeln an Schuh und Tasche, strecken ihren großen Kopf entgegen. So umzingelt von stämmigen Tieren mitten auf einer grünen Weide – muss man da jetzt eigentlich Angst haben? Feser schiebt sanft einen Pferdekopf beiseite und lacht freundlich unter seinem Strohhut hervor: „Nein, Füchse sind zwar Fluchttiere und sie würden auch durchgehen, wenn sie erschrecken. Aber sie würden immer ausweichen und niemals einen Menschen überrennen, sofern sie genügend Platz haben.“
Hochschwarzwälder Gemütlichkeit
Und tatsächlich strahlen die Tiere eine gutmütige Ruhe aus. Aufgrund ihres Charakters – Schwarzwälder Kaltblut-Pferde gelten außerdem als robust, anspruchslos und zugstark – wurden sie im Hochschwarzwald jahrhundertelang für die Forst- und Landarbeit genutzt. Die Tiere, meistens waren das dunkle Füchse mit heller Mähne, aber auch Braune oder Schimmel, zogen Baumstämme aus den Wäldern und auf den Äckern die Pflüge. „Im Winter“, erinnert sich der 1963 geborene Landwirt Manfred Feser „haben unsere Pferde gemeinsam mit Tieren des Nachbarn am Pflug die Straßen freigeräumt.“ Ein oder zwei Wälderpferde gehörten damals in jeden Stall. Mensch und Tier bildeten eine Einheit – waren sich in ihrer Robustheit sogar ähnlich. „Wir alle passen uns schließlich unserer Umgebung an. Ein strenger Winter bereitet hier oben weder Mensch noch Pferd Probleme. Wir sind weniger krankheitsanfällig“, erklärt Tochter Lisa Meier, die ihre Ausbildung zur Pferdewirtin auf dem bekannten Marbacher Landesgestüt absolvierte und in der Zwischenzeit auch den Meisterbrief in der Tasche hat.
Seit Jahrhunderten ist der Bartleshof im Bärental, nur wenige Kilometer vom Titisee entfernt, im Familienbesitz: Um 1800 erscheint der Name Feser erstmals in den Büchern. Damals war unter dem tiefgezogenen Dach der Löffelmacher und Bauer Jacob Feser zu Hause. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Hof aber schon 1426, im Jahr 1777 wurde das Gebäude neu errichtet. Während man in Flur und Küche fast den Kopf einziehen muss, um nicht an die Decke zu stoßen, empfängt einen draußen eine grüne Weite: Zum Hof gehören 91 Hektar Land, auf rund einem Drittel weiden die Schwarzwälder Füchse sowie einige andere Pferde. Auch Waldflächen und ein Sägebetrieb gehören zum Hof.
Seit Manfred Feser denken kann, standen zu Hause Pferde im Stall. Das blieb auch in den 1970er-Jahren so, als Vater Albert einen Traktor anschaffte, der Getreideanbau eingestellt wurde und die Schwarzwälder Füchse immer weniger zum Ziehen schwerer Lasten benötigt wurden. Während mit der zunehmenden Mechanisierung der Landwirtschaft die Zahl der Wälderpferde in der restlichen Region bedrohlich sank – die Tiere gehörten laut Schwarzwälder Pferdezuchtgenossenschaft zu einer vom Aussterben bedrohten Rasse –, hielten die Fesers an dem Kaltblut fest. „Die Pferde waren und sind Teil der Familie“, so der Landwirt, „Es ging meinem Vater nie ums Geld, auch bei der Zucht nicht. Es war die Liebe zum Pferd.“
Also wurden die Tiere anderweitig eingesetzt: „Damals haben wir im Winter fast täglich für Touristen Schlittenfahrten organisiert – bis nach Hinterzarten-Alpersbach.“ Später kamen Kutschfahrten hinzu, die die Familie neben Reitunterricht für Einheimische und Touristen bis heute anbietet. Auf zahlreichen Schauen, bei Prüfungen und Veranstaltungen rund ums Schwarzwälder Kaltblut – darunter auch das alle drei Jahre stattfindende St. Märgener Rossfest – waren und sind die Fesers mit ihren Füchsen präsent.
Pferdevernarrte Familie
Dass die Landwirte vom Bartleshof ein Händchen fürs Kaltblut haben, zeigte sich auch bei der Zucht. Insgesamt fünf gekörte Hengste – also offiziell für die Zucht ausgewählte Füchse – stammen vom Bärental. Schon Manfred Fesers Opa Albert war ein engagierter Pferdenarr, Mitglied in der Genossenschaft und ab 1935 im für Züchter wichtigen Badischen Pferdestammbuch. Sein Sohn Albert Feser Junior – Manfreds Vater – kaufte 1959 das Fohlen Astrid: ein Glücksgriff wie sich bald herausstellte. „Mit Astrid und ihrem Nachfolger Astarte bin ich großgeworden, das waren schon besondere Pferde. Noch heute stehen Nachfolger von Astarte im Stall“, erinnert sich der Landwirt an die erfolgreiche Linie.
Vater Albert erhielt zahlreiche Auszeichnungen und wurde für seinen Beitrag zum Rasseerhalt geehrt. Für Sohn und Enkelin Lisa war es nach seinem Tod vor drei Jahren keine Frage, dass sie die Zucht weiterführen. „Nicht etwa, weil man damit eine goldene Nase verdienen kann“, sagt Lisa Meier und lacht. „Ich mache das aus reiner Leidenschaft.“ Seit sie klein war, verbindet sie eine besondere Beziehung zu den Pferden. Sie erinnert sich aus Erzählungen:
Zehn Schwarzwälder Füchse im Alter von drei bis 32 Jahren stehen momentan bei den Fesers im Stall. Auch die älteren Tiere dürfen bleiben, sie erfüllen eine wichtige Funktion: „Die Gnadenbrotstuten sind gut für die Erziehung der Jungen. Auf der Koppel bringen sie Ruhe rein“, so die Pferdewirtin. Die ausgeglichene Art der Tiere und ihre vielseitigen Einsatzmöglichkeiten wissen auch die Käufer zu schätzen, die auf den Bartleshof kommen. Sie stammen heute hauptsächlich aus dem Freizeitbereich, verwenden das Schwarzwälder Kaltblut als Reit-, Kutsch- oder Therapiepferd. Hat ein Pferd den Bartleshof verlassen, bedeutet das für die Fesers keinesfalls den endgültigen Abschied: „Wenn wir in der Nähe sind, besuchen wir es im Stall oder wir telefonieren mit den neuen Besitzern.“ Aus den Augen aus dem Sinn? Für die Fesers ist das undenkbar. Schließlich sind die Schwarzwälder Füchse wie Familienmitglieder. Und da ist es doch selbstverständlich: „Nach denen guckt man mal.“