Das Traditionsgasthaus Zum Engel
Wer kurz vor der Kehre in Richtung Hinterwaldkopf steht, hat einen wunderschönen Blick auf Tal und Berge. Wer sich umschaut, entdeckt ein prächtiges Schwarzwaldhaus nebst kleiner Kapelle. Ein großer Hund trottet an, er ist brav. Es riecht nach gutem Essen. Wanderer kommen und kehren ein – und bleiben länger als gedacht. Wenn ein Gasthaus Zum Engel heißt, ist der kulinarische Himmel Programm.
Hinterzarten ist alt, aber der Alpersbach, das heute zu Hinterzarten gehört, ist wohl uralt. Sie kamen vor circa 900 Jahren vom Hinterwaldkopf und haben nach und nach das Gebiet talwärts bis runter nach Hinterzarten besiedelt. Das Klima im Alpersbach kann bekanntlich hart sein, aber die Leute sind herzlich. Sie haben Häuser gebaut, Wiesen frei gerodet, Kühe gezüchtet, sogar Roggen und später Herdäpfel (Kartoffeln) gepflanzt. Wenn heute mal einer spitz bemerkt, dass hier oben im Frühjahr „die Bäume noch gar nicht grün sind“, dann sagt ein Urgestein wie der Engel-Wirt Klaus Steiert (57) ganz trocken: „Wir sind auf über 1000 Meter!“ Will heißen, hier kommt alles ein bisschen später, aber es kommt. Außerdem sind hier Winter noch echte Winter. Das Gasthaus Zum Engel steht direkt an der Schneegrenze.
Rustikaler Start: Essen für Waldarbeiter
Klaus Steiert wurde der Koch fast schon in die Wiege gelegt. „Mit dem bin ich auf die Welt gekommen“, sagt er, denn es hieß immer „der lernt Koch.“ Dabei war eine feine Küche nicht in der Tradition des 1446 gegründeten Kaspel-Hofs, der erst ab 1837 als „ä kleins Wirtschäftle“ sein Zubrot verdiente. Darüber freuten sich die Waldarbeiter, denn wer Tag für Tag Tag Bäume fällt, braucht Speck und Brot und ein Glas Milch. Fremdenzimmer kamen erst später, Land- und Forstwirtschaft bestimmten den Tag bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Lange Zeit hat man die Schwarzwälder Füchse gezüchtet und hatte eine Pferdepension. „Mein Vater war ein Rosser“, sagt Klaus Steiert.
Großes Unglück! Große Hilfsbereitschaft!
Am 29. August 1949 geschah ein Unglück, denn der Hof brannte ab. Bis auf die Grundmauern. Jetzt kommt die Schwarzwälder Urkraft ins Spiel. Wer konnte, packte beim Aufbau an. 60 bis 80 Helfer waren immer am Schaffen. Nicht für Geld, einfach so, weil sich das so gehörte. Es fehlte nicht nur das Geld, sondern auch der Baustoff. Also ging man wie's Tradition war zum Holz betteln zu den Nachbarn, sodass ein zünftiges Schwarzwaldhaus in alter Größe gebaut werden konnte. Bereits am 20. Dezember 1949 stand das neue Haus und Weihnachten konnte schon in der neuen guten Stube gefeiert werden. Und das Hammelfest fand auch statt, und die ganz großen Hochzeiten sowieso.
Was bringt die Zukunft? Tourismus!
Weil Klaus Steierts Mutter Gertrud wenig mit Küche am Hut hatte, wurde die warme Küche von 1978 bis 1983 kaltgestellt und weiter Landwirtschaft nach alter Väter Sitte betrieben. Zwar gab es mit Onkel Sepp jemanden in der Familie, der wusste, was die Zukunft bringt, nämlich Touristen, aber glauben wollt's ihm keiner. (Nur Klaus Steiert hörte gut zu!) 1987 starb der Vater und Klaus Steiert musste viel zu früh den Hof übernehmen. „Seit dem 1. August 1983 kochen wir wieder!“, sagt er wie ein Kapitän, der einen neuen Kurs eingeschlagen hat. Kochen und Landwirtschaft ging auf Dauer aber nicht und so ließ er das eine sein und stärkte das andere. Nach und nach wurde der Hof umgestellt, renoviert, aus-, um- und angebaut und der Engel wandelte sich zu einem prächtigen Gasthaus mit Gästezimmern. Demnächst sollen neue Ferienwohnungen entstehen und ein Lift soll auch eingebaut werden. Als in einem Winter mal die Wasserversorgung zusammenbrach, wurde auch das gemeistert. Auf 1000 Meter Höhe lässt man sich doch nicht unterkriegen!
Vater und Sohn: Hand in Hand am Herd
Mit Christopher Steiert (33) steht schon die nächste Generation mit am Herd. Klaus Steiert Gattin Michaele hilft mit, Tochter Hanna steht im Service, nur der jüngere Bruder Adrian ist weg, kocht in Titisee, lebt aber noch daheim. Vater Klaus und Sohn Christopher verstehen sich prächtig in der Küche. Der Vater zerlegt das Wild, der Junior bereitet es vor, aber „man kann nicht sagen, wer was macht“, sagt Christopher Steiert. Klaus Steiert: „Mir koche z'sämme.“ Die Küche von Vater und Sohn Steiert kann man als feine, badische Küche bezeichnen, nur die Nudeln sind schwäbisch, sagt man scherzhaft. So gut es geht, kommen die Produkte aus der Umgebung, wie es sich für Naturpark-Wirte auch gehört. Das Wildbret stammt von einem Kumpel der Jäger ist. Wie eh und je ist der Gemeinsinn hoch im Kurs und das Gasthaus Zum Engel, das soweit hinten im Tal liegt, gehört selbstverständlich zu Hinterzarten. Das hört man dann auch am Dialekt in der Stube, wo im Winter immer noch der Kachelofen wärmt. Hier wurde ein alemannischer Dankesspruch für die Helfer von 1949 in einen Deckenbalken graviert. Wenn ein Wanderer oder Langläufer nach dem Hintergrund des Spruchs fragt, bekommt er gerne die ganze Geschichte erzählt. Die Stube wärmt den Körper, aber eine Geschichte wie diese die Seele.