Viele kleine, versteckte Sehenswürdigkeiten gibt es zu entdecken!

Immer hoch im Hochschwarzwald

Schwarzwald ohne Höhenmeter? Wie langweilig!
11.05.2022

von Patrick Kunkel

Elzach ist ein hübsches, kleines Schwarzwaldstädtchen, eingebettet zwischen grünen Bergen. Schmuck, sagt man da oft zu. Es gibt den „Oberen Metzger Winterhalter“ und den „Unteren Metzger Winterhalter“, einen Marktplatz, ein Gasthaus „Krone“, einen „Adler“ und auch einen „Hirschen“.

Einen Bahnhof kann die Stadt ebenfalls vorweisen, was ganz praktisch ist, wenn man eine große Radrundreise durch den Hochschwarzwald spontan etwas erweitern möchte. Denn Elzach liegt mitten im Mittleren Schwarzwald und man kann von Freiburg aus wunderbar mit der Breisgau S-Bahn anreisen. Die hieß früher einmal nur das „Bähnle“, sagen die Elzacher, aber ich will nicht abschweifen.

Der schmale Forstweg, der sich zwischen Buchen dahinschlängelt und in der Morgensonne wie dahingemalt aussieht.
Der schmale Forstweg, der sich zwischen Buchen dahinschlängelt und in der Morgensonne wie dahingemalt aussieht. © Patrick Kunkel

Wir steigen jedenfalls in Elzach auf's Reiserad und sogleich geht es bergauf Richtung Prechtal, das liegt zwar immer noch nicht im Hochschwarzwald, ist aber trotzdem sehr schön. Und schön anstrengend. Erst ist die Landschaft offen und weit, mit stattlichen Schwarzwaldhöfen zwischen den grünen Hügeln, und auf den Weiden drumherum Kühe. Auf den steilen Matten wenden die Bauern mit breiten Holzrechen in schwungvollen Bewegungen das zum Trocknen ausgebreitet Gras – wie das duftet!

Einmal kam auch Ernest Hemingway hier vorbei, zum Forellenangeln im Schwarzwald in den 1920er Jahren – das hatte ich vorher im Zug gelesen. Doch der amerikanische Schriftsteller hatte wohl ungute Erlebnisse, denn er brachte wenig schmeichelhaftes über Land und auch über die Leute zu Papier. Über das Gasthaus „Rössle“ im Oberprechtal etwa schrieb er: „Die Bettlaken sind kurz, die Federbetten klumpig, die Matratzen hellrot, das Bier gut, der Wein schlecht … Es gab hier eine ordentliche Mahlzeit aus gebratenem Fleisch, Kartoffeln, grünem Salat und Apfelkuchen, vom Wirt selber aufgetragen, der unerschütterlich wie ein Ochse aussah … Seine Frau hatte ein Kamelgesicht, genau die unverwechselbare Kopfbewegung und den Ausdruck äußerster Stupidität, die man nur bei Trampeltieren und süddeutschen Bauersfrauen beobachten kann.“

Schnapsidee? Mitnichten!

Wir können vom Rad aus nichts dergleichen feststellen – und auch nicht, wenn wir mal aus dem Sattel steigen: Im Gasthaus Adler in Yach zum Beispiel, talabwärts, gibt es durchaus guten Wein und der Wirt sieht auch nicht aus wie ein Ochse. Wer weiß, ob er verheiratet ist und wie seine Frau aussieht, aber solche abwegigen Gedanken vergisst man ohnehin schnell, wenn man sich wie wir während der vergangenen vierzig Minuten, einen immer steiler werdenden Anstieg hochschindet.

Kurzer halt am Dom St. Blasien im Hochschwarzwald.
Kurzer halt am Dom St. Blasien im Hochschwarzwald. © Patrick Kunkel

Am Ochsenhof bäumt sich das Asphaltband noch etwas mehr auf und als wir die steile Rampe im Wiegetritt heraufwuchten, geraten nicht nur unsere voll beladenen Reiserennräder ins Wanken, sondern auch unsere Überzeugung, dass es schon zu schaffen sein wird, auf verwunschenen, einsamen und verkehrsarmen Nebenstraßen über den Hochschwarzwald bis hinab an den Hochrhein zu fahren. Mit Zelt, Schlafsack und Kocher im Gepäck. Eine Schnapsidee?
Mitnichten! Ein paar hundert Meter weiter steigen wir auf dem Rohrhardsberg vor dem Gasthaus Zur Schwedenschanze ab, mit seiner prächtigen Fassade aus wettergegerbten Holzschindeln, und als uns der rotbackige Wirt ein schäumendes Bier auftischt, das genau so kühl ist wie das Wasser der Elz, in das wir nach der ersten Hitzeattacke ein paar Kilometer bergab unsere glühenden Fußsohlen getaucht hatten, da ist alles wieder gut!

Nach dem Rohrhardsberg mit seinen üppigen und bunt blühenden Magerwiesen (fast so hoch wie der Feldberg, es fehlen nur knapp 350 Meter!) geht's weiter zur Donauquelle am Brend, wo sich ja immerhin die europäische Wasserscheide von Rhein und Donau befindet, aber ansonsten ist der Ort wenig aufregend: Zwischen Felsen, Fichten und Tannen quellen hier die ersten Tropfen Elzwasser aus dem Gestein und wenige Meter weiter tröpfelt der Donauquellfluss Breg talwärts. Im direkt daneben gelegenen Höhengasthaus Kolmenhof kredenzt der junge Wirt Christoph Dold frisch gefangene, in Butter gebratene Forellen, der Hofhund döst auf dem Dach und nachdem ein liebestoller Kauz in der Dämmerung noch ein bisschen für Unterhaltung sorgt, schlafen wir bei offenem Fenster und himmlischer Ruhe ein.

Mit Zelt, Schlafsack und Kocher im Gepäck. Eine Schnapsidee?
Mit Zelt, Schlafsack und Kocher im Gepäck. Eine Schnapsidee? © Patrick Kunkel

Lieber die giftige Rampe als gar keine Höhenmeter!

Tags drauf nehmen wir Kurs auf den Hochschwarzwald, aber zuvor vernichten wir erst einmal an die 700 am Tag zuvor mühsam erkämpfte Höhenmeter – nur um vom Simonswälder Tal aus sogleich wieder bergauf zu ächzen. Kehre um Kehre wuchten wir unsere voll bepackten Reiserennräder auf fein geschotterten Serpentinen den steilen Anstieg Richtung Kandel hinauf. Gebirgsbäche rauschen durchs Moos, am Wegrand blüht es üppig und kurz vor dem 1241 Meter hohen Gipfel mündet der Forstweg in einen schmalen Pfad, der sich zwischen Buchen dahinschlängelt und in der Morgensonne wie dahingemalt aussieht – so hinreißend ist das alles, dass die geplagten Oberschenkel ruhig brennen können, wie sie wollen. Die Bergstraße hat sich jedenfalls gelohnt!

„Gut, dass wir nicht sowas wie den Südschwarzwald-Radweg genommen haben“, sagt Sven, mein Mitfahrer – dieser verspricht nämlich eine Schwarzwaldradtour fast ohne Höhenmeter: „Wie langweilig. Das ist vielleicht weniger anstrengend“, sinniert er, während wir im Schatten einer knotigen und verschnörkelten Weidbuche unser Vesper auspacken und den Blick über die weit unter uns liegende Rheinebene schweifen lassen: „Aber garantiert auch weniger schön!“

Die Waldwiese mit Blick übers verwunschene Hexenloch, wo wir für die Nacht unser Zelt aufstellen dürfen.
Die Waldwiese mit Blick übers verwunschene Hexenloch, wo wir für die Nacht unser Zelt aufstellen dürfen. © Patrick Kunkel

Recht hat er, der Sven. Und so nehmen wir lieber noch ein paar giftige Rampen in Kauf, die man mit Gepäck gerade noch so schafft, und kommen auf diese Weise aber in den Genuss vieler kleiner, versteckter, aber dafür echter Sehenswürdigkeiten, die der Schwarzwald zu bieten hat – jenseits von Titiseen, Triberger Wasserfällen, gefälschten Bollenhüten auf Kellnerinnenköpfen und anderen Gemeinheiten: Zerzauste Hochmoore wie das in Hinterzarten. Frische, selbst gefundene Pfifferlinge im Wald bei Menzenschwand. Oder alte, knorrige Bauernhäuser, die aussehen, als seien sie aus einer rauen Vergangenheit direkt in die Gegenwart verpflanzt worden. Nebst mächtigen Weißtannen, die selbst im Schwarzwald selten geworden sind, dem Naturbadeteich bei St. Märgen und vor allem der Waldwiese mit Blick übers verwunschene Hexenloch, wo wir für die Nacht unser Zelt aufstellen dürfen.

Hochschwarzwald: Echt mit Bergen

Nicht zu vergessen die sprudelnd-frische Quelle direkt neben den Überresten des Oberwolflochhofs, wo wir rasten und uns den Speck vom Oberen Metzger auf der Zunge zergehen lassen – und sonst kein Mensch weit und breit! Und natürlich die Hütte im Wald bei Äule, deren rissige Holzwände uns eine Nacht später Schutz bieten, während der kühle Nachtwind flüsternd um die Ecken streicht.

Ja, dafür lohnt sich das wildern auf abseitigen Sträßchen– und als wir einmal ein paar Kilometer auf dem Bähnleradweg bei Titisee-Neustadt und Lenzkirch unterwegs sind, lernen wir ein Pärchen aus Holland mit ihren E-Bikes kennen, die von Land und Leuten schwärmen. Und als sie mit leuchtenden Augen von ihrem schön flachen Routenverlauf berichten, da schweigen wir vornehm: Denn sie wissen wirklich nicht, was sie da verpassen. Den echten Hochschwarzwald. Den mit den Bergen!