Die Danieltanne, das Monschtrum

Über die dickste Tanne im Schwarzwald
12.11.2013

von Barbara Bollwahn

Der Wind fährt durch die Wipfel einer Tannengruppe und bringt die Bäume zum Singen. Sie wiegen sich in seinem Takt und lassen ihre Äste knarzen. Nur eine Tanne, die Größte in ihrer Mitte, steht wie ein Fels in der Brandung. Der Wind kann wehen, blasen, pusten und rütteln wie er will, sie rührt sich kein bisschen. Der Grund: Der Baum, eine Weißtanne, ist die dickste Tanne des Schwarzwaldes.

Sie steht am Hochtannenweg im Naturschutzgebiet Schlüchtsee in Grafenhausen, einem 2.330 Einwohner zählenden Luftkurort zwischen Schluchsee und Wutachschlucht, und es müsste schon einen fürchterlichen Sturm geben, um sie aus der Ruhe zu bringen. So wie den Orkan „Lothar“, der im Dezember 1999 auch über Süddeutschland zog und einige Tannen neben der dicksten Tanne im Südschwarzwald einfach weggepustet hatte.

Der Daniel hat einen Steckbrief

Auf einer Holztafel wenige Meter neben der Tannengruppe, die inmitten von Fichten steht, sind die wichtigsten Daten des herausragenden Nadelbaumes festgehalten: Er heißt Danieltanne, hat eine Höhe von 46 Metern, einen Durchmesser von 182 Zentimetern und einen Umfang von stattlichen 5,73 Metern. Das Alter liegt zwischen 300 und 400 Jahren.

Informationstafel Danieltanne

Hier steht es schwarz auf weiß: die Danieltanne ist die dickste Weißtanne des Südschwarzwaldes

Dass der Baum Danieltanne heißt und seine Daten wie in einem forstlichen Steckbrief amtlich erfasst und verbrieft sind, ist auf den ehemaligen Förster des Reviers, Hartmut Frank, zurückzuführen. Der 71Jährige hat mehr als drei Jahrzehnte das Forstrevier Grafenhausen geleitet, bis er im September 2012 in Rente gegangen ist. „Ich hatte gemerkt, der Baum ist ein ziemliches Monschtrum“, erzählt er über den Anfang seiner Dienstzeit, als der Weg, der jetzt an der Tanne vorbeiführt, noch nicht befahrbar war. Der Förster ließ das „Monschtrum“ von der Forstdirektion Freiburg vermessen. Und in den 1990er Jahren gab er ihr den Namen Daniel.

Die Weißtanne ist ein Ur-Schwarzwälder

Es war jedoch nicht der biblische Name Daniel, der „Gott ist mächtig“ bedeutet oder „Gott ist mein Richter“, der ihn zu der Namensgebung inspirierte. „Das Gewann hier heißt Daniel“, nennt er den Grund. Ein Gewann, erklärt er, ist eine Gemarkung. „Warum das Gewann aber Daniel heißt“, fährt er fort, „weiß ich nicht“. Er nimmt an, dass es Landvermesser waren, die damals Karten erstellten und die Gewanne aufteilten.

Der ehemalige Förster Hartmut Frank, der auch die Tafel mit den Daten zur Danieltanne aufgestellt hat, ist im Ruhestand noch regelmäßig in grüner Kluft im Wald unterwegs.
Der ehemalige Förster Hartmut Frank, der auch die Tafel mit den Daten zur Danieltanne aufgestellt hat, ist im Ruhestand noch regelmäßig in grüner Kluft im Wald unterwegs. © Barbara Bollwahn

Dafür kann er mit Sicherheit sagen, dass die Tanne auf natürliche Weise dorthin gekommen ist. Die Weißtanne war damals „der natürliche Baum vom Urschwarzwald“. Waldpflanzungen gab es zu dieser Zeit noch nicht - im Unterschied zu den Fichten um die Tannengruppe herum, die um die Jahrhundertwende bei Erstaufforstungen angepflanzt wurden.

Der ehemalige Förster, der auch die Tafel mit den Daten zur Danieltanne aufgestellt hat, ist im Ruhestand noch regelmäßig in grüner Kluft im Wald unterwegs, zum jagen oder um in seinem ehemaligen Revier und auch bei der Danieltanne nach dem Rechten zu sehen. Hartmut Frank legt seine Hände auf die Baumrinde und den Kopf weit in den Nacken und lässt seine grünen Augen prüfend bis zur Spitze hinauf wandern. „Bei Fäule, Krebsgeschwüren oder Pilzbefall kann sie einem Sturm zum Opfer fallen“, sagt er. „Aber“, er klopft zufrieden mit der Hand auf die Borke, „sie ist absolut gesund“. Dass es keine Spechtlöcher gibt, wertet er auch als gutes Zeichen. „Bei einem gesunden Baum findet der Specht keine Maden oder Insekten.“

Wie ein Baumdoktor prognostiziert der ehemalige Förster die Zukunft der Danieltanne. „Sie hat jetzt nur noch ein sehr, sehr langsames Wachstum“, sagt er. Deshalb wird sie nur noch minimal weiter in die Breite gehen. „Wachstum muss sein“, erklärt er, „sonst stirbt sie ab“. Mit einer Prognose ihrer Lebenserwartung ist der Förster im Ruhestand vorsichtig. „Es kann niemand sagen, wie alt die Tanne werden kann.“ Aber wenn sie nicht von einer Naturkatastrophe heimgesucht oder einem Blitz getroffen wird, kann die Danieltanne noch weitere einhundert Jahre die dickste Tanne des Südschwarzwaldes sein.