Der Mann am Skilift
Wenn andere sich den Berg hochziehen lassen und ihn dann wieder hinunter sausen, steht Richard Sütterlin draußen und hat alles im Blick. Er ist der Mann am Lift. Seit 50 Jahren …
"Gestern hättet ihr hier sein sollen!“, strahlt Richard Sütterlin, Jahrgang 1953, während die Bügel des Skilifts geräuschvoll um die Kurve laufen und wieder nach oben gleiten. „Gestern war hier strahlender Sonnenschein, blauer Himmel!“ Heute hängen die Wolken tief. Egal. Skifahren kann man trotzdem. Der Schnee ist ja da. Und Richard Sütterlin natürlich auch, in seinem Holzhäusle am Stübenwasenlift. Seit über 50 Jahren sitzt er da schon.
Er war schon immer da
Den Skilift ohne Richard Sütterlin kann sich hier in Todtnauberg keiner so richtig vorstellen. Er war halt irgendwie schon immer da. Gut, nicht ganz, aber fast. Diejenigen, die sich noch als Kind an ihn erinnern können, sind heute längst gestandene Leute. Der Todtnauberger hatte seine erste Saison am Lift in der Saison 1967/68. Als 14-jähriger Bub, noch mit Flaum unter der Nase. Beim Blick zurück schwärmt er von „einem Jahrhundertwinter“. Damals…
Nur: Seinerzeit war das alles andere als eine große Nachricht. Im Winter 1968 ließen sich die jungen Menschen die Haare lang wachsen, gingen auf Rockfestivals, um Jimi Hendrix an der Gitarre zu sehen, und träumten von Love, Peace & Understanding. Nur Richard Sütterlin nicht. Das war einfach nicht seins. „Ich wollte nie weg. Was soll ich in Freiburg?“, sagt der Mann, der jetzt in blauem Skianzug zum Lift geht, um nach dem Rechten zu schauen. Die Kälte? „Die merke ich gar nicht.“
Es begann als Nebenjob
Als junger Bursche lernte er Maler. „Ich war Stift“, sagt Richard Sütterlin. Verdient hat er 110 Mark. Aber wenn man den Führerschein machen will und von einem Gebrauchtwagen träumt, braucht man einen Nebenjob. Also fragte er beim Skilift nach, ob sie Hilfe im Winter brauchen. Brauchten sie. Damals schafften zehn Holzfäller am Skilift, raue Gesellen, im Winter arbeitslos, aber schaffig. Dann gab es noch andere aus den umliegenden Bürstenfabriken. Und es gab mit Richard einen jungen Kerl, der schnell lernte, wie man den Leuten am Bügellift hilft, wie man die Tickets verkauft („wie im Kino“) und was man machen muss, wenn es mal nicht klappt.
So ein Lift im Dauerbetrieb kann auch mal klemmen. Was dann? „Dann wird die halbe Nacht geschuftet, damit Lift und Geschäft wieder laufen“, erzählt der Fachmann. Das ist heute noch genau wie damals. Auch wenn die Zeiten andere sind. Als er ein altes Schwarzweißfoto im Liftstüble anschaut, muss er schmunzeln. So wie früher, dass man den Schnee einfach auf den Straßen liegen lässt, geht das heute nicht mehr. Fast täglich kam es auf der Piste zu Unfällen, brachen sich Leute die Haxen oder sonst was. Heute kommt das seltener vor. „95 Prozent tragen einen Helm“, weiß Richard Sütterlin. „Und das ist auch gut so!“
Die Veränderung des Wintersports
Als im Winter 1974/75 am Skilift das elektronische Zeitalter begann, gab es zuerst mal Stunk. Den Wintersportlern passte das nicht. Warum? Richard Sütterlin muss grinsen. „Weil man nicht mehr bescheißen konnte.“ „Da hinten steht mein Mann, der hat die Tickets“, zitiert er eine Skifahrerin am Lift. Als besagter Mann dann bei Richard Sütterlin am Drehkreuz stand, hatte der von nichts ’ne Ahnung. „Die Frau kenne ich nicht.“ Da war die falsche Gattin schon längst oben auf dem Berg oder auf einer der 14 Pisten im Slalom den Buck runter. „Mit der elektronischen Kartenausgabe sind diese Zeiten aber definitiv vorbei.“
Richard wurde in dieser Zeit eine feste Größe und irgendwann war er der Älteste am Lift. Dass auch Skistars wie Rosi Mittermaier oder Ingemar Stenmark hier standen, erzählt er nebenbei. Über das Wetter kann er auch viel erzählen. Zum Beispiel wenn es nebelt. „Dann kennen sich nicht einmal die Einheimischen oben aus.“ Also wird der Lift geschlossen. Sicher ist sicher. Oder über den Wind, der den halben Hang freilegt. Und wenn der Wind von Süden kommt, dann bringt er auch mal Regen mit. Leider. „Wir haben viel Sonne, das mögen die Gäste“, stellt Richard Sütterlin heraus. Und wenn es Schnee hat, dann hat es Schnee. Der Hausberg Stübenwasen liegt auf 1388 Metern Höhe.
Er bleibt der Mann für alle Fälle
Seit 2016 ist er in Rente – aber er machte weiter, so wie auch ein Bügellift nicht aufhört seine Runden zu drehen. Aber Richard Sütterlin schafft natürlich weniger Stunden, manchmal auch nur auf Zuruf, wenn grad irgendwo Not am Mann ist. Das passt ihm, schließlich macht er nebenbei noch Musik, und drei Enkel hat er auch noch. Bis Mitte März, wenn die Saison aufhört, bleibt er aber der Mann für alle Fälle. Danach hat er frei! Erklingen jetzt Jubelrufe? Nein, Richard Sütterlin ist eben nicht nur ein Mann der Berge, sondern auch einer, der den Winter innig liebt und der auch selbst gerne mal die Piste runtersaust. Früher, als er noch arbeitete, hatte er schon im Oktober Sehnsucht nach Schnee und Winter. „Ich bin und bleibe einfach ein Liftler“, sagt er noch. Ein Glück…
Info:
Die Natur genießen und sich zwischendurch stärken – das geht auf dem Stübenwasen wunderbar! Oben hat es einen Gasthof und die wohl längste Baumliege der Welt. Infos und Öffnungszeiten zum Skilift gibt’s hier: skilifte-todtnauberg.de
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