Secret Dinner - Geheimsache Genuss

Ein feiner Zug Genuss
09.12.2021

von Pascal Cames

Der Hochschwarzwald machte schon oft mit außergewöhnlichen Events von sich Reden. Vor Jahren wurde mit dem Gondelmenü Schwarzwälder Hochgastronomie neu definiert und das blieb bei den beteiligten Köchen in guter Erinnerung. Das wollte man toppen mit einem Secret Dinner. Alle waren gespannt. Aber wo denn?

Die Vorarbeit

Weiße VWs fahren vor, Männer in weiß steigen aus und laufen zum offenen Zugabteil. Kisten werden hochgewuchtet, gestapelt, versetzt. Die Herdplatten werden in Reihe gesetzt, die Wärmebrücke aufgebaut. Das ist der Pass. Hier steht später einer der Köche und schaut sich jeden Teller an, der die Küche verlassen wird. Alexander Maier vom Rößle in Todtmoos stellt Töpfe mit Wildkräuter für sein vegetarisches Kürbisgericht in eine Ecke. „Sind wahnsinnig empfindlich“, sagt er, „aber frisch am besten.“ Draußen auf den Gleisen verlegen ein Koch und ein Mann im Arbeitsanzug Kabel. Die Köche Iván Lagunas Romeo, Volker Hupfer, Daniel Frech, Alexander Maier, Manuel Schwörer und Matthias Schwer kommen noch auf ein Helles zusammen. Prost! Es ist die Ruhe vor dem Sturm, wie man so sagt. Gleich kommen die Gäste. Eine schmucke junge Frau im Dirndl, Dorothee Hupfer trinkt mit und lacht so goldig wie die Herbstsonne. „Heute haben wir lange Wege.“ 

Secret Dinner

Die Köche der Next Generation Alexander Maier, Daniel Frech, Volker Hupfer, Manuel Schwörer, Iván Lagunas Romeo, Matthias Schwer (v.l.) und Dorothee Hupfer ©Dimitri Dell 

Alle einsteigen!

Der Ort der Handlung ist ein leuchtend roter Speisewagen mit dem Aufdruck „Mitropa 1916“. In den 20er- und 30er-Jahren rasten sie auf ihren Gleisen nach Paris, Berlin, Wien, Budapest bis Istanbul. Hier wurde in echt gekocht. Ein leuchtendes Beispiel für Gastronomie on the road. Wo ist die Lokomotive? Sie wird heute auch nicht kommen. Die Passagiere werden anders in Fahrt kommen. Endlich hat das Warten ein Ende. Der Bus fährt vor. Die Gäste sind alle ein bisschen festlicher gekleidet als sonst, robuste Schuhe tragen die meisten trotzdem. „Wir wussten ja nicht wohin es geht“, sagt eine Frau. Ihr Mann: „Wir dachten, wir müssten auf eine Berghütte wandern.“ Der Bahnhof in Seebrugg bekam die Ehre für das erste Secret Dinner im Hochschwarzwald. 

"Wir wussten ja nicht wohin es geht“
(Secret Dinner Gast)

Mit Tapas geht die Post ab 

Der Mann der gerade eben noch im Arbeitsanzug über die Gleise stiefelte, trägt jetzt Galauniform. Er heißt Jens Reichelt und ist der Vorsitzende der 
IG 3 Seenbahn und in dieser Funktion der unermüdliche Antreiber für das Comeback der historischen Eisenbahn im Hochschwarzwald. Ihm und Vereinskollegen ist es zu verdanken, dass hier auf fast tausend Meter Höhe der alte Bahnhof gerettet wurde. Jens Reichelt hätte sich für seinen Exkurs in die Vergangenheit keinen besseren Platz aussuchten können, als den Postwagen. Hier hat es Wandschränke mit kleinen Fächern für Briefe und Postkarten, darunter stehen grobe Postsäcke. Es ist warm. „Früher hatte es hier 40 Grad“, weiß der wohl größte Eisenbahnfan des Schwarzwalds und erzählt wie es früher war. Dann kommen schon Dorothee und Kolleginnen und servieren einen Muskateller-Sekt und verteilen die Tapas von Iván vom Kamino aus Häusern. Die Frauen vom Service übernehmen. „Soll ich Sie an Ihren Platz bringen?“ 
Gesagt, getan. Jeder Gast hat seinen reservierten Tisch.

Secret Dinner Speisewagen

Der Speisewagen entführte die Gäste in einen genussvollen Abend. ©Dimitri Dell 

Wie im Orient-Express 

Schon die Plakate auf dem Fensterglas sprechen Bände, sie werben für Zigarren, Kekse, Weinbrände – es sind alte Marken für die geworben wird. Auf der linken Seite sind die Vierertische, rechts die Tische für zwei. Jeder Tisch hat Tischdecke, eine Lampe, Blumen. Die Gläser funkeln so brillant, als hätte man sie beim Hoflieferanten der Queen geordert. Es hat Wasser und Weingläser und – so viel Platz muss ein – Besteck für Vorspeise, Hauptspeise, Nachspeise. Einigen Passagieren, pardon Gästen, fällt „wie im Orient-Express“ ein. Der kleine Nachsatz darf nicht fehlen: „Nur ohne Mord.“ Was trinken wir jetzt?

Mitropa Speisewagen

An den liebevoll gedeckten Tischen wurde das Menü serviert.  ©Dimitri Dell 

Wein wie Seide

Cora Boldt und Florian Kuhn übernehmen die Aufgabe der Weinkellner. Beide engagieren sie sich bei der „Generation Pinot“, eine Organisation von jungen Winzern, die fürs Handwerk und den heimischen Wein trommelt. Sie vertritt das Badische Staatsweingut Freiburg, er ist Winzer in eigener Sache in Munzingen. „Wir haben die Weine auf das Menü abgestimmt“, sagt Cora – und es war bei all diesem Feuerwerk von Aromen keine leichte Aufgabe. „Die Perlage regt zum Trinken an“, flötet sie zum Sekt Blankenhornsberger Chardonnay Pinot Sekt. Er erklärt was ein Orange Wine ist. Noch nie gehört? Das ist ein Weißwein, der wie ein Rotwein ausgebaut wird und darum anders ausschaut und schmeckt. Was sagt der Passagier?

"Kenn ich nicht, schmeckt aber, noch ein Glas bitte!“
(ein begeisterter Gast)

Das Staatsweingut verblasst daneben aber nicht. „Der Wein läuft ja seidenweich“, heißt es über den Auxerrois, erste Lage.

Keine weiteren Fragen…

Dorothee Hupfer und ihre Kolleginnen lassen es derweil laufen, zügig, aber ohne Hetze. Der Bachsaibling kommt bunt auf den Teller mit Rote Beete, Kürbis, Apfel und Wasabi-Mayonnaise, Tom Kha Ghai, die thailändische Hühnersuppe ist so exotisch wie der Orange Wine. Daniel kochte eine Zeitlang in Vancouver und erlebte dort Asiens Küchen im Original. Weil er Schwarzwälder ist, nimmt er für die Suppe heimische Produkte und sich die Freiheit das Huhn mit heimischen Demeter-Ziegen auszutauschen. (Was kaum einer herausschmeckt!) Der Kürbis begeistert, genauso wie das Reh. Was wiederum in der Küche zu heißen Disputen führt. Was schmeckt besser, der Rehrücken oder das Ragout? Jeder Koch bekommt die ehrenvolle Aufgabe etwas über sein Gericht zu erzählen. Nicht jeder begnadeter Koch ist ein begnadeter Erzähler und so wird’s kurz gemacht. „Das ist ein… Noch Fragen?“ Statt der Fragen gibt’s Applaus.

Mit einer liebevoll zubereiteten Vorspeise startet das Menü des Abends.

Mit dieser leckeren Vorspeise startete das genussvolle Menü. ©Hochschwarzwald Tourismus GmbH

In der Küche

Mittlerweile ist es Nacht geworden. Auf der Bergseite beleuchtet ein Strahler das Gelände, auf der anderen Seite brennen Fackeln ab. Im Vollmondlicht sieht man einen Jogger rennen und sogar Boote auf dem Schluchsee. Der Waggon leuchtet wie ein Palast und im Palast spiegeln sich die Menschen in der auf Hochglanz polierten Holzdecke. In der Küche zieht es wie Hechtsuppe, weil die große Schiebetür einfach aufgesperrt bleibt. Matthias, Alexander, Manuel, Daniel, Volker und Iván rackern auf kleinstem Raum. Auf den Herdplatten brutzeln und duften drei große Pfannen mit Rehrücken. Irgendjemand ruft Oui Chef! Großes Gelächter. Derweil werden die Teller fürs Dessert unter der Wärmebrücke gerichtet.

Deutschlands kleinste Gourmetküche

Der süße Traum am Ende des Menüs ist schneller von den Tellern verschwunden, als serviert. Wieder Applaus! Jetzt noch einen Schnaps? Oder nochmal ein Glas vom Rotwein? Oder einen Kaffee? Kommt sofort! Joschua Krause hat aus Löffingen seine italienische Kaffeemaschine mitgebracht und in einem Nebenraum installiert. „Wenn’s schmeckt, ist alles gut“, sagt er über den Aufwand. In den Speisewagen ist die Laune super. Astrid und Claus freuen sich, denn der Bus wird sie direkt ins Hotel bringen. Sie fühlt sich „wie im Urlaub“. Heute hat Astrid nur den halben Tag gearbeitet, morgen kann sie später anfangen. „Das ist eine herrliche Unterbrechung“ (vom Alltag), lacht sie, „aber man muss sich darauf einlassen.“ Im Speisewagen wird noch eine Weile gelacht, getrunken und geplant (mal einen Kochkurs machen), aber Deutschlands kleinste Gourmetküche ist schon wieder abgebaut. Der Waggon steht offen und leer auf dem Gleis. War alles nur ein Traum?

Secret Dinner Abschluss

Vor dem Speisewagen fand der Abend einen gemütlich Ausklang.  ©Dimitri Dell