Das Museum "Gasthaus Arche"

Eine Reise in die Fünfziger Jahre
29.10.2021

von Gabriele Hennicke

Bauernhofmuseen gibt es einige im Schwarzwald. Sie verdeutlichen, wie unsere Vorfahren vor Jahrhunderten gearbeitet und gelebt haben. Das Museum Gasthaus Arche in Furtwangen ist ein heimathistorisches Museum anderer Art. Es zeigt, wie man in den 1950er- und 1960er-Jahren, als der Tourismus noch „Fremdenverkehr“ hieß, im Schwarzwald Urlaub gemacht hat und wie es damals in einer Gastwirtschaft ausgesehen hat.

Prunkstück des holzvertäfelten Gasthauses mit dem typischen grauen Linoleumboden aus der Nachkriegszeit ist das Orchestrion von 1904, von der Bevölkerung nur das „elektrische Klavier“ genannt. Mit seinen gestanzten Walzen ist es heute wie vor hundert Jahren die Attraktion des Gasthauses, neben Billardtisch und Freiluft-Kegelbahn. Über dem Stammtisch prangt ein Ölgemälde aus dem Jahr 1876, das die schon damals eher städtisch wirkende Bebauung von Furtwangen zeigt. Allerdings: Wo heute Wald ist, hatte es Kahlschläge für Köhlerei und Glasbläserei gegeben.

Museum Gasthaus Arche

Hereinspaziert: Im "Gasthaus Arche" gibt es sonntags Kaffee und Kuchen. © Gabriele Hennicke

Als die Stadt im Jahr 1999 Erbin des früheren Gasthauses wurde, war guter Rat teuer. Was tun mit dem alten Gasthaus, in dem seit 40 Jahren nichts mehr verändert wurde und in dem die frühere Wirtin Martha Flaig nach der Schließung 1977 bis zu ihrem Tod gelebt hatte? Man besann sich des Heimat- und Geschichtsvereins, der schon lange Räume für seine Schätze suchte. Doch schnell zeigte sich, dass zuerst kräftig entrümpelt und anschließend investiert werden musste. Teile der Bausubstanz, Elektroleitungen und der Abwasserkanal mussten instandgesetzt werden. Mit Fördermitteln der Europäischen Union, Spenden aus der Bevölkerung und der Hilfe von zahlreichen örtlichen Handwerksfirmen gelang dem Heimats- und Geschichtsverein das schier Unmögliche: Die Arche erstrahlte wieder in altem Glanz.

"In der ehemaligen Wirtschaft wieder etwas anzubieten lag ja nahe und so backe ich seither den Kuchen"
(Elke Schön)

Die frühere Gymnasiallehrerin Elke Schön stieß zwei Jahre vor Eröffnung des Museums zum Verein. Seither ist das Gasthaus Arche ihr Lebensinhalt. Sie leitet das Museum und ist jeden Sonntag während der Öffnungszeiten am Nachmittag vor Ort. Ihre Idee war es, in der ehemaligen Wirtschaft auch wieder Getränke und Kuchen anzubieten. „Das lag ja nahe und so backe ich seither den Kuchen“, sagt sie. Führungen durch das Museum bieten Elke Schön und weitere engagierte Ehrenamtliche nicht nur während der Öffnungszeiten, sondern auch sonst nach Vereinbarung an.

Museum Gasthaus Arche

Wohnen wie anno dazumal: eines der hergerichteten Zimmer im Museum. © Gabriele Hennicke

Das spätere Gasthaus wurde Mitte des 18. Jahrhunderts als Altenteil eines Schwarzwaldhofes erbaut – mit Stall im rückwärtigen Teil für einige Kühe, Schweine und Federvieh. Ab 1875 wurde das Haus als „Restauration zur Arche“ betrieben. 1927 schon baute es der damalige Besitzer Christian Bob zum Beherbergungsbetrieb um. 1934 übernahm Tochter Martha Flaig, genannt Martha Bob, das Gasthaus. Schon damals gab es „Fremdenzimmer“, teilweise mit fließend Wasser, schön ausgestattet und beheizbar. Mehrere dieser Zimmer sind so erhalten, wie sie in den 1950er-Jahren aussahen: Nummer 3 beispielsweise ist lindgrün möbliert, Nummer 4 mit brauner Bierfarbe gestrichen, die eine an Edelhölzer erinnernde Maserung aufs einfache Holz brachte. In die ehemalige Tenne hatte man in den 1960er-Jahren ein weiteres Gästezimmer gebaut, stilecht eingerichtet mit Nierentisch und Cocktailsessel. Das mintgrün gekachelte Badezimmer für alle Gäste des Hauses befand sich – ein oder gar zwei steile Treppen weiter unten – im Erdgeschoss.

Museum Gasthaus Arche Elke Schön

Elke Schön leitet das Museum und steckt viel Herzblut in das Projekt. © Gabriele Hennicke

Aus dreien der Gästezimmer sind längst Ausstellungsräume geworden, denn der Heimat- und Geschichtsverein hat es sich zur Aufgabe gemacht, zweimal im Jahr eine Ausstellung zu zeigen. Verantwortlich für die Ausstellungen – wie könnte es anders sein – ist Elke Schön. Es macht ihr Freude, immer wieder nach passenden Themen zu suchen, zu recherchieren und Exponate zusammenzutragen. So konnten Besucher etwa in den vergangenen Monaten entdecken, wie Kinder und Jugendliche in Furtwangen früher groß geworden sind und wie Spielzeuge in jenen Zeiten aussahen.

Unterstützt wird die Museumsleiterin von einer Handvoll Engagierter, die bei allen Aufgaben mithelfen. Immer wieder gibt es auch Vorträge und Lesungen zu den Themen der Ausstellungen, auch ein Sonntagsbrunch fand regen Zulauf. Der jährliche Höhepunkt ist das Heidelbeerfest im Sommer, das der Heimats- und Geschichtsverein organisiert und das in und ums Haus herum gefeiert wird. Mindestens 40 Heidelbeerkuchen werden dann angeboten und allerlei andere Spezialitäten aus Heidelbeeren, die alle von Hand geerntet sind.

"Ich erkläre den Kindern, wie die Geräte damals betrieben wurden, da kommen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus"
(Elke Schön)

Besonders große Freude hat Elke Schön an der Kooperation mit den Naturpark-Schulen aus Furtwangen und Umgebung. Die Kinder der dritten Klassen erleben einen Vormittag in einem Haus, in dem ihre Großeltern gelebt haben könnten. Ausgestattet mit Namenschildchen mit den Namen von Oma oder Opa erkunden sie Keller und Haus. Sie bekommen Aufgaben gestellt – wie die, alle einst handbetriebenen Geräte zu entdecken, die heute mit Strom angetrieben werden. „Ich erkläre den Kindern, wie die Geräte damals betrieben wurden, da kommen sie aus dem Staunen gar nicht mehr heraus“, sagt die Museumsleiterin lachend. Und spätestens wenn Apfelmus selbst gekocht und die Sahne mit dem handbetriebenen Sahnequirl geschlagen wird, dann erleben die Kinder in eigener Erfahrung, wie ihre Großeltern vor 60 oder 70 Jahren aufgewachsen sind.