Klappe und Action
Einmal durch den Hochschwarzwald, von Süd nach Nord: Moritz hat sich auf einen Roadtrip begeben. Auf allen Sorten Rädern, im Kanu, zu Fuß. Heute: Drei Vorschläge für den Kino-Hit des Sommers.
Der Hochschwarzwald ist keine Kulisse, das ist mir schon klar. Die Berge sind echt, das weiß ich, seit ich auf sie gestiegen bin. Die Bäume sind echt, das weiß ich, seit ich mit den Skiern Slalom um sie gefahren bin. Mit den Menschen habe ich geschwätzt, die sind sogar ziemlich echt. Genau wie der Schinken und das Kirschwasser, beide habe ich mehrfach probiert. Aber trotzdem: Dass er eine gute Kulisse für Filme abgibt, wussten schon viele Regisseure in den 50er- und 60er-Jahren.
Vielleicht wäre es mal wieder Zeit, diese Tradition aufzugreifen, denke ich, als ich wieder einmal auf dem Gipfel des Herzogenhorns sitze. Das letzte Mal, als ich auf meinen Lieblings-Aussichtsberg mit dem Lieblings-Gipfelkreuz gestiegen bin, war kältester Winter. Ich hatte Skier an den Füßen und dicke Jacken an, weil der Wind den Schnee durch die Luft peitschte. Heute ist es knapp 30 Grad wärmer, Hochsommer. An meinen Füßen habe ich Wanderstiefel, ansonsten reichen kurze Hose, T-Shirt und Sonnenbrille. Und heute bin ich nicht wie sonst als einsamer Schwarzwald-Wolf unterwegs, sondern mit lieben Freunden. Wir waren zwar nicht gemeinsam auf der Schule, machen aber trotzdem so etwas wie eine Art Klassentreffen.
Dafür haben wir uns eine kleine Hütte gemietet, die – genau wie der ganze Rest vom Hochschwarzwald ebenfalls als perfekte Kulisse dienen könnte, wenn man sie denn findet. Die supergenaue Adresse „Blasiwald, Sommerseite“ kannte mein Navigationsgerät nämlich nicht, dafür aber ein freundlicher Opa an der Staumauer des Schluchsees. Man könnte gleich mehrere Filme drehen:
Möglichkeit 1 – Das künstlerisch wertvolle Coming of Age-Drama, sehr dialoglastig
Eine Gruppe alter Freunde trifft sich nach einiger Zeit auf einer kleinen Hütte wieder. Am ersten Abend werden am Lagerfeuer alte Anekdoten aufgewärmt, wenn das Gespräch stockt, kommt ganz schnell von irgendwo ein „Wisst ihr noch..?“. Am zweiten Tag zicken sich der immer im Mittelpunkt stehen wollende Sportfreak und die Intellektuelle ein wenig an. Abends entzündet sich an der Frage, wer denn nun abspülen muss, erst ein kleiner Streit, der dann explodiert und in dessen Zuge all die kleinen Problemchen, Komplexe und Kränkungen angesprochen werden, die über die Jahre gegärt haben. Am dritten Tag: Abreise, in neuen Paar-Konstellationen und mit der Erkenntnis, dass die Jugend nun vorbei ist.
Möglichkeit 2 – Das Hochschwarzwald-Horror-B-Movie
Eine Gruppe alter Freunde trifft sich nach einiger Zeit auf einer kleinen Hütte wieder. Die Hütte ist niedlich, die Umgebung lieblich. Abends, am Lagerfeuer, werden alte Anekdoten aufgewärmt, wenn das Gespräch stockt, kommt ganz schnell von irgendwo ein „Wisst ihr noch..?“. Bis jemand auffällt, dass der, der grad Holz holen gegangen ist, immer noch nicht wieder gekommen ist. Die aufkommende Panik beruhigt sich wieder, vielleicht ist er ja nur Zigaretten holen. Am nächsten Tag ist er immer noch nicht zurück, dafür bekommen die Freunde Besuch: Eine neben dem Gelände weidende Kuhherde umzingelt die Hütte. Ihr Anführer ist ein dickes Pferd. Moment mal – hat das nicht Reste der Trainingsjacke des Holzholers zwischen den Zähnen? Haben die Kühe nicht irgendwie irre Augen? Es folgen: billige Spezial-Effekte.
Möglichkeit 3 – Die sommerleichte Krimi-Komödie, sehr nahe an der Realität
Eine Gruppe alter Freunde trifft sich nach einiger Zeit auf einer kleinen Hütte wieder. Abends, am Lagerfeuer, werden alte Anekdoten aufgewärmt, wenn das Gespräch stockt, kommt ganz schnell von irgendwo ein „Wisst ihr noch..?“. Am nächsten Tag lassen sie sich erst am Schluchsee braun braten, bevor sie aus einer Laune heraus eine Metzgerei und die nicht weit entfernt liegende Tannenzäpfle-Brauerei überfallen. Mit dem Diebesgut ziehen sie sich in ihre Waldhütte zurück, schmeißen den Grill an und machen sich daran, die Beweise zu vernichten. Niemand verschwindet, weil man das Holz ganz in der Nähe holen kann. Eine liebe Kuhherde kommt zu Besuch, besonders das Pferd, das sich wohl auch für eine Kuh hält, sorgt für Erheiterung. Anstelle von alten Konflikten kommen Steaks und gegrillte Bananen auf den Tisch. Um nicht aufzufallen, verkleidet sich die Gruppe am nächsten Tag als Wanderer und besteigt das Herzogenhorn. Unterwegs freuen sie sich über bunte Blumen, seltsame Waldgeister, lustige Hydranten und drollige Namen wie „Krunkelbach-Hütte“. Dort essen sie Speck mit Kuchen. Am Ende der Wanderung entführen sie eine süße Ziege von ihrer Weide und entschließen sich, von nun an für immer zusammen als Räuberbande auf der Hütte zu wohnen und ein unbeschwertes Leben zu führen. Im Abspann: Lustige Bilder vom Set: Freund A mit Banane, Freund B mit Pferd, Freund A und C erschöpft beim Wandern.
Die Bilder für den Abspann beginne ich sicherheitshalber schon zu schießen, bevor wir noch einen letzten Blick in den steilen Kessel werfen, über dem am Herzogenhorn im Winter diese riesige Wächte hängt. Dann steigen wir ab, zur Krunkelbachhütte, essen Speck mit Kuchen. „Wir könnten doch auf dem Heimweg ein paar Ziegen stehlen und uns als Räuberbande selbstständig machen“, rufe ich. „Vielleicht bekommen wir sogar Gründerzuschuss“. Die anderen sagen überhaupt nichts. Haben meinen Vorschlag anscheinend nicht einmal gehört. Schade, hätte schön werden können.
Auf dem Rückweg streicheln wir Ziegen, lassen sie aber, wo sie sind. Dann: Umarmungen, bevor jeder in sein Auto steigt und sich wieder auf den Weg in die Stadt macht. In der richtigen Paar-Konstellation.