Indianer-Sein ist eh viel schöner. Vor allem, wenn die Sqaw so fleißig paddelt.

Piratenvesper für Indianer

Der Kanadier passt gut in den Hochschwarzwald – weil es am Schluchsee so sehr nach Kanada ausschaut
08.08.2013

von Moritz Baumstieger

Einmal durch den Hochschwarzwald, von Süd nach Nord: Moritz hat sich auf einen Roadtrip begeben. Auf allen Sorten Rädern, im Kanu, zu Fuß. Heute: Eine Bootspartie mit Freundin, Kanonenkugel, aber ohne Silberbüchse.

Es wäre jetzt unfair zu behaupten, dass meine Freundin überhaupt keine Affinität zu Outdoor-Sportarten hat. So ist es nicht. Nur ist ihre Motivation eben ein klitzekleines bisschen größer, wenn die Möglichkeit gibt, dass ich das Schweißtreibende für uns beide erledige. Gäbe es zum Beispiel Mountain-Bike-Rikschas, sie wäre die erste, die hinein hüpft.

Kanadier mieten am Schluchsee

Kanadier, mit denen man lustig auf dem Wasser herum paddeln kann, muss man hingegen nicht extra erfinden. Die gibt es schon, am Schluchsee zum Beispiel, ritzerot und zu mieten. Man kann sich reinsetzen, die Beine ein wenig hochlegen, die schlaue Nase in ein Buch stecken, an der Tönung des Teints arbeiten. Ab und zu einen Fuß ins Wasser halten, während die Moritz-Maschine hinten für den Antrieb sorgt.
So ähnlich zumindest muss meine Freundin sich das vorgestellt haben – sonst hätte sie nicht so schnell und freudig eingewilligt, als ich ihr vorgeschlagen habe, ein wenig Indianer zu spielen. Dafür eignet sich der Schluchsee nämlich ziemlich: Tief, schwarz und still ist er, umgeben von mächtigen Bäumen. Wer hier nicht an Kanada denken muss, der denkt nie an Kanada.

Der Kanadier passt gut in den Hochschwarzwald – weil es am Schluchsee so sehr nach Kanada ausschaut.
Der Kanadier passt gut in den Hochschwarzwald – weil es am Schluchsee so sehr nach Kanada ausschaut. © Moritz Baumstieger

Die Kanonenkugeln mit an Board

Als wir morgens in See stechen, sind neben meiner Freundin und mir mit an Bord: ein paar bequeme Liegematten, ein paar leckere Würste, ebensolcher Käse, frisches Schwarzwald-Brot. Außerdem: eine Honigmelone. Könnte ja sein, dass wir das Indianer-Spiel zugunsten einem Piraten-Spiel aufgeben wollen, falls gute Beute an uns vorbeifährt. Und dann hätten wir etwas, was zumindest ein bisschen nach Kanonenkugel aussieht.
Weil wir uns aber bisher weder zu den Profi-Piraten, noch zu den Vollblut-Indianern zählen können, hören wir vor dem Ablegen genau zu, was uns die Jungs vom Bootsverleih empfehlen: Erst gegen die Windrichtung paddeln – dann ist der Rückweg leichter, wenn die Kraft aus den Armen gewichen ist. Nur: So genau lässt sich heute leider nicht bestimmen, aus welcher Richtung der Hochschwarzwald-Wind kommt. Er kann sich nicht so richtig entscheiden, mal kommt er von links, mal von rechts. Dann kurz von hinten. Deshalb beschließen wir: Wir paddeln jetzt einfach in die Richtung, die uns am schönsten erscheint. Also los, erst einmal quer über den See.
Wir paddeln los. Und das „wir“, das ist an dieser Stelle kein Versehen. Auch meine Freundin nimmt das Stechpaddel zur Hand und taucht es zu meiner großen Überraschung immer und immer wieder in den schwarzen Schluchsee – es scheint ihr nichts aus- und sogar Spaß zu machen. Der Kanadier gleitet durch das Wasser, immer schön Richtung Staumauer. Es ist still auf dem See, der Wind pfeift ein wenig aus immer neuen Richtungen, ansonsten hören wir nur unsere Paddel im Wasser platschen.

Moritz die Maschine sorgt hinten für den Antrieb. So ähnlich muss meine Freundin sich das vorgestellt haben...
Moritz die Maschine sorgt hinten für den Antrieb. So ähnlich muss meine Freundin sich das vorgestellt haben... © Moritz Baustieger

Das versunkene Dorf

Meine Freundin paddelt auf der linken, ich auf der rechten Seite. Meistens, denn natürlich hat das Boot so ein wenig Linksdrall, aber das ist ja auch klar: Meine Arme sind natürlich ein bisschen dicker als die von meiner Freundin, da muss ich ab und zu gegensteuern. Irgendwo unter uns müsste jetzt das versunkene Dorf liegen, das damals geflutet wurde, als der Schluchsee aufgestaut wurde. Es ist nicht zu entdecken und ich bitte meine Freundin, sich auch nicht zu weit über den Bootsrand zu lehnen, um danach zu schauen. Kentern, das müsste jetzt nicht unbedingt sein.
Und schließlich gibt es ja noch Dinge zum Anschauen: Zum Beispiel das andere Ufer, das immer näher kommt. Wild ist es, romantisch, einsam. Ganz anders als die bebaute Seite des Schluchsees, an der wir jetzt lautlos einen Zug entlang zuckeln sehen, an der die Straße und der Ort liegen. Hier drüben gibt es: keine Straßen, wenig Menschen. Dafür: Bäume. Buchten. Biber. Bären.

„Eine richtige Winnetou-Bucht“, rufe ich, als ich aus dem Kanu springe.
„Eine richtige Winnetou-Bucht“, rufe ich, als ich aus dem Kanu springe. © Moritz Baumstieger

Ich greife deshalb instinktiv zu meiner Silberbüchse, das tun sie bei Karl May auch immer, wenn sie sich mit einem Kanu dem Ufer nähern. Reine Vorsichtsmaßnahme, man weiß ja nicht, was einen dort erwartet. Das Problem ist nur: Das, was ich da gerade in der Hand halte, ist gar keine Silberbüchse, sondern nur das Ersatzpaddel. Ist aber gar nicht schlimm, schließlich gibt es hier weder feindliche Indianer-Stämme, noch Bären. Biber, die man Trapper-mäßig erlegen und zu Mützen verarbeiten könnte, gibt es auch nicht. Die Staumauer vorne am Schluchsee ist aus Beton und von Menschen gemacht.

Des hier hoischt Kaiserbucht

Wir umkurven noch ein paar Felsen, die im Wasser stehen, dann legen wir in einer kleinen Bucht an. Feiner Sandstrand, klares Wasser, ein paar Büsche.
„Eine richtige Winnetou-Bucht“, rufe ich, als ich aus dem Kanu springe.
„Des hier hoischt Kaiserbucht“, ruft eine ältere Dame zurück, die ein paar Meter weiter liegt.
Auch recht. Auch in der Kaiserbucht schmeckt die Brotzeit, die Dame würde wahrscheinlich „Vesper“ dazu sagen. Auch in der Kaiserbucht lässt es sich prima im Schatten dösen. Auch in der Kaiserbucht lässt es sich prächtig im kühlen Schluchsee-Wasser schwimmen, um wieder wach zu werden.

In der Kaiserbucht schmeckt die Brotzeit und es lässt sich prima im Schatten dösen.
In der Kaiserbucht schmeckt die Brotzeit und es lässt sich prima im Schatten dösen. © Moritz Baumstieger

Auf dem Rückweg beschließen wir dann, auch noch die Melone zu verzehren. Andere Boote sind weit und breit nicht zu sehen, nicht mal der Katamaran von Herrn Dr. Dischler bietet sich zum Entern an. Piraten werden wir heute also keine mehr, brauchen deshalb auch keine Kanonenkugel-Attrappe.

Macht nichts: Indianer-Sein ist eh viel schöner. Vor allem, wenn die Sqaw so fleißig paddelt.

Auf dem Rückweg beschließen wir dann, auch noch die Melone zu verzehren.
Auf dem Rückweg beschließen wir dann, auch noch die Melone zu verzehren. © Moritz Baumstieger