Freibad Schönwald um 1955

Sommerfrische im Schwarzwald

So frisch wie nie zuvor
12.03.2024

von Christian Engel

Seit Jahrhunderten zieht es Erholungssuchende im Sommer in die Berge. Die Bezeichnung „Sommerfrische“ mag etwas altmodisch klingen – die Idee dahinter ist aktuell wie nie. Weil Urlauber sich in Hitzesommern und aufgeheizten Zeiten genau hiernach sehnen: nach Abkühlung und Entspannung.

Die Sehnsucht nach Erfrischung

Marga Saccol liebt den Sommer. Wenn die Tage wieder länger werden, die Klamotten kürzer. Wenn die Menschen wieder mehr draußen sind. An manchen Sommertagen aber leidet die 66-Jährige: Wenn die Hitze schier nicht mehr aus den Tälern weicht, wenn sie in Stegen, ihrem Heimatort vor den Toren Freiburgs, fast schon schmort. „Im Sommer ist es hier unten oft unerträglich heiß“, sagt sie. Dann muss sie hinauf in den Hochschwarzwald: hoch zum Naturbad nach St. Märgen, zum Wandern nach Hinterzarten, zum Schlendern an den Schlüchtsee. „Auf 1000 Metern hat es locker fünf Grad weniger als im Tal. Für diese Erfrischung reise ich gerne.“

Gut, „reisen“ ist in diesem Fall etwas übertrieben: Marga Saccol hat das Glück, nur wenige Fahrminuten vom kühlen Hochschwarzwald entfernt zu wohnen. Für einen Besuch der Ferienregion nehmen Menschen ganz andere Strecken auf sich. Selbst aus dem hohen Norden, sagt etwa Elisabeth Ketterer vom Althäuslehof in St. Peter, kämen jedes Jahr zahlreiche Gäste zum Urlaub auf dem Bauernhof. „Die Sommerfrischler kommen von überall zu uns.“

Altes Foto des Naturfreibads St. Märgen

Die Abkühlung im Naturfreibads in St. Märgen war auch schon zur Zeit der Schwarz-weiß-Fotografie total angesagt © Herbert Mark

Sommerfrische – ein vermeintlich angestaubter Begriff

Der mit Blick auf den Klimawandel und ein scheinbar allgemein steigendes Stresslevel jedoch so frisch daherkommt wie nie zuvor. Die Brüder Grimm definierten Sommerfrische in ihrem Wörterbuch vor 200 Jahren als „Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande zur Sommerzeit“. Vor allem Reiche konnten sich die Erholung leisten, Adlige, die gar eine eigene Sommerresidenz im Grünen besaßen – oder zumindest genügend Groschen für die Miete einer Pension. Offiziere, Ärzte, Professorenfamilien: Sie ruckelten im 19. Jahrhundert auf der alten Poststraße von Freiburg hinauf an den Titisee oder Schluchsee und nisteten sich gleich für mehrere Wochen oder gar Monate dort ein, um der Hitze und dem Trubel der Stadt zu entfliehen. Manche kutschierten den halben Haushalt an, brachten ihre Hausmädchen mit. 

Die Höllentalbahn verändert den Tourismus im Schwarzwald

Während die Aristokratie wandernd durch die Wälder keuchte, schnaubte gegen Ende des Jahrhunderts plötzlich noch etwas Anderes durch den Schwarzwald: die Höllentalbahn. Und mit ihr veränderte sich der Tourismus im Hochschwarzwald schlagartig. 

Nachdem der Streckenabschnitt Freiburg-Neustadt 1887 fertiggestellt worden war, war ein Besuch der Höhenlagen auf einmal auch für „normalsterbliche“ Stadtbewohner erschwinglich – selbst für einen Tag oder ein Wochenende: einfach mal rauf zum Wandern in die Wutachschlucht, mal zum Plantschen an den Titisee und abends mit der Bahn wieder zurück. Ab 1926 fuhren Züge auch den Schluchsee an. Was folgte, war ein Boom an Tagestouristen.

Ravennabrücke, Viadukt der Höllentalbahn

Nachdem der Streckenabschnitt Freiburg-Neustadt 1887 fertiggestellt worden war, war ein Besuch der Höhenlagen auf einmal auch für „normalsterbliche“ Stadtbewohner erschwinglich © Herbert Mark

Schluchsee: Von der Luftkurstation zum modernen Ferienparadies

Am Beispiel Schluchsee lässt sich die Entwicklung der Sommerfrische-Bewegung im Hochschwarzwald besonders gut nacherzählen. Und keiner kann das so gut wie Friedbert Zapf. Einst befasste er sich als Forstdirektor mit Bäumen, heute mit Zahlen und Fakten rund um seinen Wohnort Schluchsee. Der Ausbau der Bahnstrecke, sagt der Hobby-Historiker, sei ein Meilenstein für den Tourismus gewesen. „Mindestens genauso wichtig war aber ein Gemeinderatsbeschluss aus dem Jahr 1850.“ Damals erkannten die Räte, was sie hier oben an Schätzen hatten: den See, die Wälder ringsum, die unendliche Ruhe. Also entschieden sie, den Schluchsee zu einer Luftkurstation auszubauen. 1933 folgte ein öffentliches Strandbad, ein Ausflugsschiff schaukelte Passagiere übers Wasser, der Schwarzwaldverein baute Wege aus. Heute gibt es zudem das Erlebnisbad „Aquafun“, Campingplätze mit Baumzelten, es werden Kajaktouren und Stand-up-Paddling angeboten und vieles mehr.

altes Foto des Strandbads Schluchsee

Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande. 1933 folgte ein öffentliches Strandbad am Schluchsee, ein Ausflugsschiff schaukelte Passagiere übers Wasser. © Archiv Friedbert Zapf

Bierschenke wird zum Gasthaus: das Hofgut Sternen

Einer erkannte die Zeichen der Zeit besonders gut: Ein findiger Wirt baute seine Bierschenke zum Gasthaus aus, dem heutigen Hotel Sternen. Er errichtete ein Badehaus, produzierte mit einer Dampfmaschine eigenen Strom – und war Vorbild für andere. In den folgenden Jahrzehnten entstanden weitere Gasthöfe, Pensionen, moderne Hotels. 

Hotel Sternen Schluchsee

Ein findiger Wirt baute seine Bierschenke zum Gasthaus aus, dem heutigen Hotel Sternen © Friedbert Zapf

"Die Leute sind fitter als früher und der Hochschwarzwald ist dank vieler neuer Angebote jünger geworden.“

Unterwegs in der Ferienregion Hochschwarzwald

„Erholungsaufenthalt der Städter auf dem Lande“ – die Definition der Brüder Grimm müsste heute ein wenig angepasst werden. Denn die Freizeitmöglichkeiten und -angebote haben sich um ein Vielfaches erweitert. Früher, erzählt Elisabeth Ketterer, seien ihre Gäste vornehmlich auf den Wegen rund um den Althäuslehof in St. Peter gewandert. „Heute“, sagt sie, „fahren sie rüber zur Ravennaschlucht, erkunden einen der vielen Familien-Erlebnis-Pfade in der Region – kurz: Sie sind mehr unterwegs.“ Das sieht auch Michael Erfurth vom Hotel Bergfried in Hinterzarten so. Natürlich wollen seine Gäste im hauseigenen Wellnessbereich mit sechs Saunen und Dampfbädern entspannen. „Zugleich schwingen sich aber viele auch aufs E-Bike, um schöne Ausflugsziele anzufahren, etwa den Feldberg oder den Mathisleweiher.“ Die Leute seien fitter als früher. „Und der Hochschwarzwald ist dank vieler neuer Angebote jünger geworden.“

Hinterzarten 1966

Früher blieben Gäste vornehmlich in der Nähe ihrer Unterkunft (hier 1966 in Hinterzarten). Heute sind sie mehr unterwegs.  © Archiv Gemeinde Hinterzarten

Sommerfrische im 21. Jahrhundert:

Angesichts steigender Temperaturen ist es wohl so angesagt wie nie, der Hitze tiefergelegenen Regionen zu entkommen – und zugleich Frische für den Kopf zu finden, im Wellnessbecken und am Seeufer zu relaxen, während man jederzeit auch mit dem Mountainbike die Berge erklimmen und die Lungen ordentlich durchpusten könnte. Ein Mix aus Abschalten und Action, aus Erholung und Ertüchtigung für Körper und Geist – so ähnlich würden die Brüder Grimm die Sommerfrische im Hochschwarzwald heute wohl definieren.

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